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Übersicht - Herausgeber - Caspar Söling

Arnd T. May (Hrsg.), Caspar Söling (Hrsg.)
Theologie und Biologie im Dialog
Gesundheit, Krankheit, Behinderung: Gottgewollt, naturgegeben oder gesellschaftlich bedingt?

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Die Kommerzialisierung der Gesundheit führt zu Idealen, angesichts derer jeder von uns als behindert oder krank erscheinen muss. Der hier vorgelegte Dialog zwischen Theologie und Medizin sucht nach alternativen Orientierungen.

Traditionelle Begriffe wie Gesundheit, Krankheit und Behinderung sind im Wandel. Dank neuer diagnostischer Möglichkeiten lassen sich nicht nur Krankheiten im Frühstadium erkennen, sondern auch die Veranlagungen zu Krankheiten. Solche Patienten sind weder gesund noch krank. Sie sind Risikopatienten und sie sind vor die Aufgabe gestellt, diese Veranlagungen zu managen, Vorsorgeuntersuchungen und vorsorgliche Operationen machen zu lassen. Immer stärker geraten die Patienten, aber auch die behandelnden Mediziner in das schwer zu überschauende Verhältnis von technischen Möglichkeiten, medizinischen Idealen und wirtschaftlichen Interessen. Die Kommerzialisierung der Gesundheit führt zu Gesundheitsidealen, angesichts derer jeder von uns als behindert oder krank erscheinen muss. Was früher normal war, das ist heute optimierbar. Was früher unabänderliches Schicksal war, das ist heute eine zu verantwortende Entscheidung. Zukunftsforscher sagen voraus, dass sich mit zunehmender "Machbarkeit" geistiger und körperlicher Leistungsfähigkeit auch die Standards der Gesundheit erhöhen.

Diese Entwicklungen verunsichern viele, die mit dem Thema Gesundheit verbunden sind. Deswegen ist es wichtig, nach alternativen Orientierungen zu suchen. Vom christlichen Menschenbild her besitzt jeder Mensch eine absolute Würde, weil er vom Schöpfer gewollt ist. Die Medizin dient dem Menschen um seiner selbst willen. Deswegen haben Christen von Anfang an Hospitäler und Hospize gebaut. Dabei versucht der Glaube, Krankheiten, Behinderungen und nicht zuletzt den Tod in einem umfassenderen Sinnhorizont als Teil des Lebens zu begreifen. Je stärker sich die Medizin zur Wissenschaft entwickelt, um so mehr drängt sich die Frage auf, ob der christliche Glaube ihr nicht aus dem Dilemma helfen kann, der durch diesen Weg vorgezeichnet ist.

Vorwort
"Medizin" meint heute längst nicht mehr nur das ärztliche Handeln, das Wort bezieht sich viel umfassender auf Gesundheit ganz allgemein. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat diese Entwicklung gefördert, indem sie schon 1946 Gesundheit als einen "Zustand vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens und nicht nur des Freiseins von Krankheit und Gebrechen" definiert hat. Wer Gesundheit in einem so weiten Sinne versteht, der wird sich permanent als krank empfinden, als gesundheitsbedürftig. Die archetypische Illusion einer leidfreien Gesellschaft tut dazu ihr übriges. Was wunder, dass das Thema Gesundheit und Gesundheitsforschung in den Medien einen so breiten Raum einnimmt. Keine Zeitung, die nicht über neuste Gesundheitstipps informiert. Keine Schule, kein Ökoladen, die nicht auf sie verweisen. Im Fernsehen lassen sich Check-ups verfolgen, ähnlich wie bei Versicherungen, beim Arztbesuch. Sie alle machen klar: "Du bist niemals ganz wohl, du bist stets gesundheitsbedürftig, du musst risikobewusst sein und du bist stets selbst verantwortlich für deine Gesundheit" (B. Duden).

Nur wenige nehmen wahr, dass diese Botschaft verängstigt und Bedürfnisse nach medizinischen Behandlungen wecken soll. Die ökonomische Seite der Medizin wird von den Verbrauchern vor allem in der Diskussion um die Krankenkassenbeiträge wahrgenommen. Viel weniger wird realisiert, wie sich unser Selbstverständnis ändert, wenn sich medizin-technische Möglichkeiten und wirtschaftliche Interessen zu einem Milliardenmarkt entwickeln. Mit zunehmender "Machbarkeit" von körperlicher Leistungsfähigkeit und Schönheit erhöhen sich auch die Standards für jeden einzelnen. Damit steigt der Druck auf Menschen, die diese Standards nicht erfüllen. Vor allem auf Menschen mit Behinderungen. Leicht wird bei ihnen übersehen, dass sie nicht krank sind. Sie leben mit Einschränkungen und entwickeln oftmals ganz eigene, von vielen "Nicht-Behinderten" nie erreichte Kompetenzen, mit diesen Einschränkungen umzugehen. Während die Werbekampagnen grenzenlose Gesundheit propagieren, können sie oft genug ihre Begrenzungen nicht verbergen. Sie sind in der Gefahr, Opfer des gesellschaftlichen Selbstoptmierungsdrucks zu werden. Dabei könnte ihnen eine ganz neue Vorbildfunktion zukommen. Wenn die Rahmenbedingungen stimmen, dann können sie vermitteln, wie man mit Einschränkungen gut leben kann. Es geht dabei um die schmale Gradwanderung zwischen einer falsch verstandenen, masochistischen Verherrlichung von Leiden und der mindestens ebenso falschen, weil realitätsblinden Anbetung der Gesundheitsgötter. Das Ziel ist die Vermittlung eines Menschenbildes, das sich nicht an der Perfektion, sondern an der Gebrochenheit des Menschen orientiert. Statt diesen Zwiespalt des Lebens als Verhängnis zu verweigern, gilt es seine Chancen wahrzunehmen: Das Ja zur Niederlage der menschlichen Weltbeherrschung führt dann zu einer Haltung "engagierter Gelassenheit" (Teilhard de Chardin). Statt auch noch der letzten medizinischen Verheißung nachzulaufen, beginnt der bewusste aktive Verzicht auf die Utopie der Grenzenlosigkeit mit der Einsicht (und der späteren Akzeptanz) der eigenen Grenzen.

Um diese Sichtweisen von "Gesundheit, Krankheit, Behinderung" nicht realitätsfern zu entfalten, enthält dieser Sammelband Beiträge von Referenten, die teilweise selbst mit Beeinträchtigungen leben. Er beginnt mit einem Gespräch zwischen der Theologin Martina Ahmann, dem Molekularbiologen Jürgen Brosius, dem Journalisten Detlev von Kirchbach und dem Theologen und Biologen Caspar Söling rund um die Frage, welche Vorstellungen von Perfektion uns Menschen (ver-)leiten. Die dabei aufgezeigten Perspektiven werden in den anschließenden Beiträgen weiter vertieft. Die Soziologin Barbara Duden und die Ärztin Beate Zimmermann stellen dar, wie die moderne Medizin das Verständnis von Gesundheit, Krankheit und Behinderung verändert. Der Humangenetiker Wolfram Henn zeigt, wie wenig Normalität es aus Sicht der Biologie gibt. Martina Ahmann befasst sich mit den biblischen Vorstellungen von Krankheit und Gesundheit. Der Sozialethiker Andreas Lob-Hüdepohl und Caspar Söling entwerfen eine neue Befreiungstheologie für das Zeitalter der Medizinierung der Gesellschaft und der Naturalisierung ihres Menschenbildes.

Alle Beiträge sind im Kontext einer Tagung der Katholischen Akademie "Die Wolfsburg" in Mülheim an der Ruhr entstanden. Ein Dank gilt den Autoren, die bereitwillig ihre Manuskripte zur Verfügung gestellt haben. Frau Verena Hartwig für die Organisation der Tagung und Frau Regina Kissel für die Bearbeitung der Dokumentation. Schließlich dem WDR für die erneute Kooperationsbereitschaft.

Der Herausgeber
Dr. phil. Arnd T. May, geboren 1968, studierte Philosophie, Betriebswirtschaftslehre und Völkerrecht in Göttingen und Bochum. Er ist Dozent für Bioethik und Medizinethik an der Katholischen Akademie "Die Wolfsburg", Mülheim an der Ruhr.

Der Herausgeber
Dr. theol., Dr. rer. nat. Caspar Söling, geb. 1965, war von 1995 bis 2004 persönlicher Referent des Bischofs von Limburg, und ist seit 2006 Direktor des St. Vincenzstiftes Aulhausen.

Bonifatius Druckerei, 2006, 102 S.
13,90 Euro
Broschiert
ISBN: 978-3-89710-312-2



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